Sommerschule "Kalter Krieg als Kulturerbe? Materielle, diskursive und institutionelle Hinterlassenschaften globaler Auseinandersetzung"

Sommerschule "Kalter Krieg als Kulturerbe? Materielle, diskursive und institutionelle Hinterlassenschaften globaler Auseinandersetzung"

Veranstalter
Deutscher Akademischer Austauschdienst; Staatliche Pädagogische Universität Jaroslawl’; Universität Bielefeld
Veranstaltungsort
Staatliche Pädagogische Universität Jaroslawl’
Ort
Jaroslawl'
Land
Russian Federation
Vom - Bis
14.09.2020 - 27.09.2020
Deadline
30.05.2020
Von
Alexey Tikhomirov

Der Zusammenbruch der UdSSR und des Ostblocks Anfang der 1990er rief bei den Politikern, Wissenschaftlern und der Öffentlichkeit verschiedener Länder eine Art “demokratische Euphorie” hervor, die aus den heutigen Konstellationen eher skeptisch bewertet wird. Der von den US-Präsidenten deklarierte Sieg des westlichen Blocks im Kalten Krieg bewies sich als eine schöne rhetorische Figur und die Diskussionen über das “Ende der Geschichte” hinderten eine tiefe wissenschaftliche Reflektion von der Bedeutung bipolarer Auseinandersetzung und von ihrem formativen Charakter für die Entstehung einer globalen Kultur. Nur eine neue Abkühlung der internationalen Beziehungen, die als ein “zweiter Kalter Krieg” oder sogar ein “Ice War” gedeutet wird, provozierte ein lebendiges Forschungsinteresse für die verschiedenen Aspekte der Nachkriegsgeschichte u.a. für die mediale Dimension des Konflikts, transnationale Räume und Netzwerke, für die Lebenswelten der “kleinen” Menschen. Noch im Jahr 1979 verlieh UNESCO dem Vernichtungslager Auschwitz einen Weltkulturerbestatus und kippte so die nachhaltigen Wahrnehmungen der “Kultur” als eines Bestands von positiv konnotierten menschlichen Errungenschaften in der Kunst um. Diese konzeptionelle Wende veränderte die wissenschaftliche Optik und öffnete eine Perspektive, die Hinterlassenschaften von anderen militärischen Konflikten als Kulturerbe zu betrachten. Vor allem im Fall des Kalten Krieges, der nicht nur die internationale Sphäre beeinflusste, sondern sich auch ins Leben der “schweigenden Mehrheit” eindrängte. Welches Forschungspotenzial verbirgt das moderne Erbe des Kalten Krieges in Form von monumentalen Einrichtungen, politischen Praktiken, rhetorischen Figuren, individuellen Erinnerungen und Familienarchiven?

Am Beispiel Jaroslawl‘ wird diese Forschungsperspektive sehr deutlich. Einerseits war Jaroslawl‘ wie alle Provinzstädte der UdSSR in jede ideologische Kampagne des Kalten Krieges involviert, was sich in Medien, Architektur bzw. individuellen Erinnerungen widerspiegelt. Andererseits wurde die Stadt mit all ihren Schätzen alter russischer Kultur als Teil des Goldenen Rings häufiger mit Ausländern sowie mit ausländischen Partnerstädten konfrontiert und so die Fremdbilder sensibilisiert.

Das Ziel der internationalen Sommerschule in Jaroslawl’ ist, einen möglichen Diskussionsraum zu schaffen, in dem die russischen und deutschen Studierenden die aktuellen Perspektiven der Forschung und der öffentlichen Repräsentation des Erbes vom Kalten Krieg besprechen, der bis heute als ein Bezugspunkt für die internationalen Beziehungen, politischen Auseinandersetzungen und alltäglichen Wahrnehmungen der „Anderen“ fungiert. Während der Vorlesungen, interaktiven Übungen und Diskussionen werden die TeilnehmerInnen ihre theoretischen Kenntnisse in den memory studies, der globalen und transnationalen Geschichte, der politischen Kommunikation aktualisieren. Im Rahmen der Archivarbeit, Interviews mit den Zeitzeugen, Presseanalyse und Exkursionen bekommen die TeilnehmerInnen die Möglichkeit, ausreichendes Material für die Projektarbeit innerhalb der Sommerschule bzw. für ihre weiteren Forschungen zu sammeln.

Zur Teilnahme an der Sommerschule sind Bachelorstudierende ab dem vierten Semester und Masterstudierende eingeladen. Die Besucher der Sommerschule stellen ihre Projekte vor und diskutieren diese mit den anderen TeilnehmerInnen und ProfessorInnen. Die Sommerschule besteht aus drei thematischen Modulen, in denen jeweils unterschiedliche Methoden der Wissensvermittlung und verschiedene Arbeitstechniken erprobt werden.

Bewerbungsunterlagen für Teilnahme:
-ausführlicher Lebenslauf
-Motivationsbrief ggf. Exposé eines eigenen Forschungsprojekts
-Kopie des Reisepasses

Kosten:
Teilnahmegebühr beläuft sich auf 610 Euro und deckt den Transfer vom Bahnhof, Sprachkurse, Vorlesungen, Seminare und Workshops wie auch ein reiches Exkursionsprogramm (Stadtführungen, Museen, thematische Ausflüge). Diese Summe umfasst nicht die Kosten für die Anreise, Versicherung, Visabeschaffung und Verpflegung. Bis zu 10 TeilnehmerInnen bekommen Stipendien vom DAAD (siehe http://daad.de/go/stipd50093992)

Veranstaltungssprachen:
Deutsch, Englisch, Russisch

Sprachkurs Russisch: dauert täglich 1,5 Stunden

Deutsche Studierende können sich im Rahmen des Go East- Sommerschulprogramms beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) um ein Stipendium bewerben. Weitere Informationen dazu finden Sie unter: https://www.daad.de/de/im-ausland-studieren-forschen-lehren/praktika-im-ausland/goeast/sommer-und-winterschulen/ausschreibung-go-east-sommerschulen-2020/

Stipendienleistungen:
Monatliche Teilstipendienrate (300€) wird taggenau berechnet.
Reisekostenpauschale (425€)
Teilnahmegebühren bis zu max. 650 €

Die Bewerbung für das DAAD-Stipendium ist nur über das DAAD-Portal möglich. Das zweigleisige Bewerbungsverfahren sieht vor, dass Interessenten sich parallel bei der Sommerschule um eine Zulassung und beim DAAD um ein Stipendium bewerben.

Visum
Die Teilnehmer/innen, die den Auswahlprozess erfolgreich durchlaufen haben, erhalten eine offizielle Einladung, mit der sie ein Visum bei den russischen Vertretungen in Deutschland beantragen können.

Unterkunft und Verpflegung
Die Teilnehmer/innen der Sommerschule werden im Studentenwohnheim (im historischen Stadtzentrum) untergebracht. Die Verpflegung kann nach eigenem Geschmack organisiert werden. Die täglichen Ausgaben werden maximal 10-15 Euro ausmachen.

Senden Sie bitte Ihre Bewerbungsunterlagen an Prof. Dr. Oxana Nagornaja bis 30. Mai 2020: nagornaja.oxana@mail.ru

Programm

Modul I: Sprachen des Kalten Krieges: bipolare Auseinandersetzung in den modernen Diskursen

Im Herbst 2017 veranstaltete Russland das XIX. Weltfestival der Jugend und Studenten unter dem Motto "Für Frieden, Solidarität und soziale Gerechtigkeit kämpfen wir gegen den Imperialismus". Es war zwar nicht das erste, aber doch sehr bemerkenswerte Manifestation für die gegenwärtige Verwendung von Rhetorik und außenpolitischen Repräsentationen im Sinne des Kalten Krieges. Die geplanten Diskussionen werden sich auf die folgenden Fragen konzentrieren: Wie spiegelt sich das rhetorische Erbe des Kalten Krieges im modernen politischen Vokabular wider, inwieweit bestimmt die Erfahrung der bipolaren Auseinandersetzung gegenwärtige Interpretationsmuster für die internationalen Konflikte, welche aus den damals erfundenen Konzepten (Nord-Süd, Dritte Welt, Kulturimperialismus) einen Einfluss auf den politischen Entscheidungsprozess und die öffentlichen Debatten nehmen; wie tief beeinflusst das Erbe des Kalten Krieges unsere Alltagssprache.

Modul II: Materielles Erbe des Kalten Krieges: Räume, Architektur, Museen

45 Jahre bipolarer Auseinandersetzung hinterließen bemerkenswerte Spuren in der Architektur verschiedener Länder sowie in den Zonengrenzen von globalen Räumen. Die offizielle Auflösung des sogenannten “Eisernen Vorhangs” führte nicht zum Verschwinden dieser Grenzen und seiner Spuren, umgekehrt, viele von ihnen wurden noch deutlicher. Zum Beispiel, die im Kalten Krieg entstandenen demilitarisierten Zonen wurden zu einzigartigen Naturparks. Tausende Kriegsbunker in Albanien werden aus kommerziellen Zwecken zu Kunstgalerien bzw. Tourismusobjekten umgewandelt. Im Rahmen dieses Moduls werden die TeilnehmerInnen typische bzw. einzigartige Umdeutungsbeispiele in Bezug auf den Nachlass des Kalten Krieges klassifizieren, sowie die Repräsentationen des Konflikts in den modernen Museen analysieren. Das Programm beinhaltet auch einen thematischen Ausflug nach Moskau und Besichtigung des Museums des Kalten Krieges in einem ehemaligen Bunker (Bunker-42).

Modul III: Kalter Krieg als Lebenswelt: individuelles Gedächtnis, Emotionen und Familienarchivbestände

Die jahrelange Aufteilung der Welt in zwei ideologische und sozioökonomische Systeme bestimmte nicht nur die politische Realität, sondern auch den Alltag der Bevölkerung. Sie wurde durch einen massiven Propagandaeinfluss mobilisiert, nahm (un)freiwillig an der Friedensbewegung teil, wurde in die (quasi)öffentlichen Organisationen und Briefwechselfreundschaften involviert. Der Kalte Krieg definierte Konsumpraktiken, Lebensstrategien, die materielle und sogar emotionale Welt einer gewöhnlichen Familie. Das Modul umfasst die Befragung von Zeitzeugen und die Recherche in den Familienarchiven, einschließlich visueller und materieller Quellen. Eine individuelle Perspektive des Kalten Krieges erlaubt den TeilnehmerInnen das Potenzial von der Mikrogeschichte des Globalen einzuschätzen.

Neben der Besichtigung von zahlreichen Museen und Sehenswürdigkeiten werden die TeilnehmerInnen das UNESCO-Kulturerbe der Stadt Jaroslawl kennenlernen.

Kontakt

Oxana Nagornaja

Staatliche Pädagogische Universität Jaroslawl’

+7 (909)7437115

nagornaja.oxana@mail.ru

http://yspu.org/Kalter_Krieg